Die Zukunft kommunaler Lotterien in Brasilien steht vor einem drastischen Wendepunkt: Der Oberste Bundesgerichtshof (STF) hat sämtliche lokalen Gesetze und Verordnungen vorläufig außer Kraft gesetzt, die Lotterien oder Sportwetten erlaubten oder regelten.
Hintergrund ist eine Verfassungsbeschwerde der Partei Solidariedade, die argumentierte, dass zahlreiche Städte und Gemeinden ohne ausreichende gesetzliche Grundlage Lotterien eingeführt hatten.
Gericht: Glücksspielregulierung ist Bundessache – nicht Aufgabe der Städte
Richter Nunes Marques, der den Beschluss erließ, stellte klar, dass Gemeinden keine verfassungsmäßige Kompetenz besitzen, Glücksspiel selbständig zu regulieren. Eine Vielzahl lokaler Initiativen habe laut Gericht die föderale Aufsicht geschwächt und ein Flickenteppich aus Regeln geschaffen, der nicht mit nationaler Gesetzgebung vereinbar sei.
Die Entscheidung umfasst:
- Sofortige Aussetzung aller kommunalen Lotterieregelungen
- Stoppen laufender Ausschreibungen und Verträge
- Drohende Geldstrafen für Städte und Betreiber, die den Betrieb dennoch fortführen
Die einstweilige Anordnung soll in einer außerordentlichen Plenarsitzung des STF bestätigt werden.
Der Auslöser: Die Bodó-Initiative
Die Debatte nahm Fahrt auf, nachdem die Kleinstadt Bodó (ca. 2.000 Einwohner, Rio Grande do Norte) eine eigene kommunale Lotterie schaffen wollte.
Für nur 5.000 BRL vergab die Stadt Lizenzen an mehrere Betreiber – ein dramatischer Kontrast zum Bundeslizenzpreis von rund 30 Millionen BRL.
Im Oktober 2025 stoppte der Bürgermeister das Projekt nach einer Warnung der Secretaria de Prêmios e Apostas (SPA) des Finanzministeriums. Die Behörde bemängelte:
- rechtliche Unsicherheiten
- fehlende Kontrollstrukturen
- riskante Vergabepraxis
Der Fall wurde anschließend landesweit zum Symbol einer unregulierten kommunalen Ausweitung des Glücksspielmarkts.
Konfliktlinie: Zusatzeinnahmen vs. rechtliche Risiken
Befürworter kommunaler Lotterien betonen, dass Städte so zusätzliche Steuereinnahmen erzielen könnten, um lokale Projekte zu finanzieren – etwa Infrastruktur, Bildung oder Gesundheit.
Gegner warnen hingegen vor:
- rechtlicher Instabilität,
- unterschiedlichen Standards zwischen Gemeinden,
- mangelndem Spielerschutz,
- potenziellen Korruptions- und Geldwäscherisiken.
Richter Nunes Marques stellte klar, dass kommunale Zuständigkeiten eher öffentliche Dienstleistungen wie Verkehr, Stadtplanung oder Infrastruktur betreffen – nicht jedoch die Ausgestaltung von Glücksspielmärkten.
Wer ist beteiligt? – Überblick über die Akteure
| Behörde / Partei | Rolle / Stellungnahme |
|---|---|
| SPA (Finanzministerium) | Überprüfung und Durchsetzung der Glücksspielgesetze |
| Solidariedade-Partei | Reichte die Verfassungsbeschwerde ein |
| Oberster Gerichtshof (STF) | Bewertet die Verfassungsmäßigkeit kommunaler Glücksspielgesetze |
Auswirkungen: Mehr als 5.000 Gemeinden betroffen
Auch wenn der Beschluss vorläufig ist, wirkt er bereits massiv:
Über 5.000 brasilianische Städte und Gemeinden, die ähnliche Lotterieprojekte planten oder vorbereiteten, müssen ihre Vorhaben nun stoppen oder grundlegend neu prüfen.
Die endgültige Entscheidung des STF könnte die Glücksspielpolitik Brasiliens nachhaltig prägen – und bestimmen, ob Lotterien künftig ausschließlich auf nationaler Ebene reguliert werden dürfen.














